Tiertherapie mit Therapiehunden
Tiere suchen ein Zuhause
Sendung vom 14. November 2004
Tiertherapie mit Therapiehunden
Von Heidi Sonderhoff
Speziell ausgebildete Tiere werden nicht nur bei Therapien mit Menschen eingesetzt. Seit einem Jahr behandeln eine Tierpsychologin und eine Tiertrainerin ihre Hundepatienten mit so genannten Therapiehunden. Bisher haben sie etlichen verängstigten, aggressiven und depressiven Hunden und ihren Haltern helfen können. Die Tiertrainerin hat dafür innerhalb von zehn Jahren ein Rudel Bearded Collies aufgezogen, trainiert und genau studiert. Sie kennt ihre Tiere bestens und weiß, zu welchem Patienten welches Tier passt. Wir haben Tiertrainerin Kerstin Kirsch und Tierpsychologin Monika Addy ein wenig über die Schulter geschaut.
Freies, natürliches Rudelleben ist die beste Vorausetzung für ein intaktes Sozialverhalten unter Hunden. Tiertrainerin Kerstin Kirsch lebt mit ihren Therapiehunden, fünf Bearded Collies und einem Schäferhund, in Fröndenberg. Als Rudelchefin sorgt sie dafür, dass ihre Truppe ohne Zank und Kampf ihr Hundeleben genießt. Das heißt für die Rudelchefin, ständig wachsam zu sein. Zum Beispiel muss sie beim Aufkommen von Aggressionen rechtzeitig eingreifen, übermütige Jungtiere erziehen und sie wieder in ihre unteren Positionen weisen. Beim Füttern ist es besonders wichtig, die Rangordnung zu beachten. Zuerst kommen die Rangältesten, Schäferhund Rocker und Rudeloberhaupt Hündin Babette, an die Reihe, danach Mac und Ajou und zuletzt die Rangunteren, die Hündinnen Danjana und Choco. Die Einhaltung des Rituals stabilisiert das Zusammenleben. Denn ein harmonisches Rudel ist die Voraussetzung für die Arbeit mit den Tieren. Deshalb müssen schon die fünf Wochen jungen Welpen Sozialverhalten lernen.
Bei dem kleinen Frodo merkt die Tiertrainerin, dass er sich noch gegen die Unterwerfung wehrt. Doch sie lässt nicht locker, und der kleine Dickkopf entspannt sich schnell. Die erwachsenen Tiere sind wichtige Helfer für Kerstin und die Tierpsychologin Monika Addy. Vor jedem Hausbesuch besprechen die Frauen, welcher Therapiehund eingesetzt wird. Je nach Fall ist es notwendig, einen provokanten, einen dominanten oder einen verspielten Therapiehund mitzunehmen, manchmal sogar das ganze Rudel. Für den nächsten Patienten kommen die dominante Therapiehündin Babette und ihre Tochter Choco mit. Das Team macht einen Hausbesuch bei Patient Pelle, einem Leonberger-Mischling. Auf alles Unbekannte reagiert Pelle aus Angst erst aggressiv und dann mit Rückzug. Berührungen lässt er nicht zu. Für Ehepaar Leschke ist das eine stressige Situation. Besucher erschrecken sich. Jeder Spaziergang ist für die Halterin eine Kraftprobe. Hinzu kommt, dass Pelle nicht auf seine Hundeeltern hört. Um mögliche Hintergründe für sein Verhalten zu finden, erkundigt sich das Therapieduo in einem Gespräch über die Vorgeschichte des Patienten. Tiertrainerin Kerstin versucht zwischendurch, mit ihrer Jacke Pelles Neugier zu erwecken. Doch der Patient ignoriert den Annäherungsversuch. Jetzt sind die Therapiehunde gefragt. Zuerst Babette und dann kommt zur Auflockerung die unbekümmerte Choco ins Spiel. Sie stürmt sofort lustig und unbedarft ins Haus. Das weckt Pelles Neugier. Der verängstigte Patient wagt sich tatsächlich aus seinem Versteck heraus und lässt sich auf die Therapiehunde ein. Die Hundeassistenten schaffen in kurzer Zeit, wofür die Tierpsychologin Wochen gebraucht hätte.
Die ausgeglichenen Bearded Collies sind für diese Therapieform besonders gut geeignet, da sie mit ihren langen Haaren keinen Blickkontakt zum Patienten haben. Außerdem können sie ihre Haare nicht zu einem Kamm aufstellen. Der Patient ist verunsichert, weil er die Körpersprache nicht deuten kann. Ein aggressives Tier kann zum Beispiel die Situation erst mal nicht einschätzen. In dieser Atmosphäre entsteht eine neutrale Ebene für die Therapiearbeit. Die Therapeutin kann nun effizient mit dem Patienten arbeiten.
Pelle lässt sich danach sogar von Tierpsychologin Monika Addy ohne Probleme am Kopf streicheln. Das wäre vor zwei Stunden noch unmöglich gewesen. Erstaunen und Begeisterung bei den Hundeeltern. Ein Ziel des Therapieteams ist, dass die Hundehalter verstehen, was bisher falsch gelaufen ist. Zum Abschluss erklärt die Tierpsychologin das Ergebnis ihrer Arbeit. Ehepaar Lescke hat mit ihrem Mitleid Pelles Ängstlichkeit verstärkt. Pelle frisst, wann er will. Wenn das Ehepaar an Pelle vorbei möchte, müssen sie über ihn steigen, weil er keinen Platz macht. Das alles hat dazu geführt, dass Pelle seine Hundeeltern nicht mehr als Leader anerkennt. Um das zu ändern, müssen Udo und Kirstin Leschke in den nächsten Tagen ihren Trainingsplan mit Pelle konsequent durchführen.
Ein paar Tage später: Pelles Fortschritte sind nicht zu übersehen. Er folgt auf dem Spaziergang brav den Anweisungen von Udo Leschke. Die heutige Therapiestunde soll Pelle an fremde Hunde heranführen. Zuerst eine Konfrontation: Die Tiertrainerin geht verkleidet mit Schäferhund Rocker dem ahnungslosen Patienten entgegen. Pelle entdeckt Rocker und antwortet sogleich mit aggressivem Verhalten, der erhobenen Rute. Bevor die Aggression sich weiter aufbaut, wirft die Tiertrainerin ein dickes Schlüsselbund auf den Boden, begleitet von einem Befehl. Mit diesem markanten Geräusch zieht die Tiertrainerin sofort Pelles Aufmerksamkeit auf sich. Diese Erziehungsmaßnahme zeigt bei Pelle sofort Wirkung: Er springt erschreckt vom Therapiehund zurück und seine Rute senkt sich. Das war für Pelle ein einprägsames Erlebnis. Danach folgt eine behutsame Annäherung mit Therapiehund Rocker. Die Tiertrainerin geht langsam mit ihm um den nervösen Patienten herum und legt Rocker immer wieder neben Pelle ab. Mit der Zeit merkt Pelle, dass ihm Rocker gar nichts tut. Pelle ist jetzt vollkommen entspannt. Beim zweiten Testgang geht Pelle locker und gelassen an Therapiehund Rocker vorbei. Halterin Kirstin Leschke ist froh über das Ergebnis. Die zierliche Frau hatte vor jedem Spaziergang Angst, dass Pelle sie wieder hinter sich her zieht. Seit Beginn der Therapie hat auch Ehemann Udo eine starke Veränderung an Pelle feststellen können. Pelle hört besser auf ihn, geht mit weniger Angst draußen spazieren und kann sogar ohne Leine laufen gelassen werden.
Auch Beagle Jack bekommt Starthilfe von seinen therapeutischen Artgenossen. Er lernt mit den Bearded Collies, zu seiner Besitzerin zurückzukehren. Tiertrainerin Kerstin Kirsch und Tierpsychologin Monika Addy sind überzeugt, dass sie mit dieser artgerechten Methode auf dem richtigen Weg sind. Begeistert von dieser Therapie sind auf jeden Fall die Halter mit ihren Hunden.
zum Artikel bei www.kampfschmuser.de